Serbienbesuch Nr. 6



Ein ganzes Jahr war ich nicht in Serbien gewesen! Das letzte Mal war Silvester 2014/15 gewesen, deswegen habe ich Filip zu seinem anstehenden Examen begleitet um mal wieder den Schwiegereltern hallo zu sagen. In der Zwischenzeit hatte Vesna, Filips Mama, Deutsch gelernt! Da Filip die letzten Tage vor seiner Prüfung fast den ganzen Tag über den Büchern hockte habe ich sie viel auf Spaziergänge und tägliche Besorgungen begleitet und mich gefreut, dass ich mich endlich mal mit ihr unterhalten konnte.

Da die Flüge gerade so viel gekostet haben wie die Busse sonst haben wir uns diesmal die 20-Stunden-Knieschmerz-Horror im Bus geschenkt und sind für die 140€ nach Belgrad geflogen.

Von da aus haben wir 2,5 Stunden den Bus nach Krusevac genommen und uns dort erstmal reichlich füttern lassen. Filip ist der Meinung, hier in Deutschland gibt es für ihn nichts zu essen, und echtes Essen gäbe es nur in Serbien. Dementsprechend hat er sich über das hausgemachte Festmal seiner Mama gefreut wie ein kleiner Schneekönig.


Recht hat er aber auch. Das Gemüse wird von lokalen Kleinbauern gezogen und auf dem Markt verkauft. Das schmeckt schonmal ganz anders als das Plastikgemüse, das es bei uns beim Lidl gibt und von menschenrechtlich fragwürdigen spanischen Gewächshäusern, die unter schrecklichen Bedingungen Immigranten ohne Papiere beschäftigen,  importiert wird. Ich mag kein Fleisch, aber die Mama bezieht ihres von ihren Eltern, die selbst einen Bauernhof haben und ab und zu frische Milch oder einen ganzen Truthahn vorbeibringen, der so groß ist, dass er gerade mal zur Hälfte in den Backofen passt. Alles wird selbst gekocht, viel Gemüse, viel Fleisch, keine eingefrorenen Konservierungsmahlzeiten wie bei uns.  Seit er in Deutschland wohnt, hat er tatsächlich Augenringe bekommen, die er vorher nicht hatte, was er auf die Ernährung zurückführt. Tja, kann ja nicht jeder kochen wie eine serbische Mamaglucke ;)

Als wir ankamen lag noch richtig viel Schnee


der dann aber nach und nach weggeschmolzen ist.

Ich habe mich auf jeden Fall viel, viel wohler gefühlt in dem Haus, jetzt wo ich mit Vesna reden konnte und nicht nur als Deko im Haus herumlaufen musste ohne sich irgendwie austauschen zu können (das ist ein sehr dummes Gefühl, glaubt mir).
Während Filip gelernt hat bin ich also mit auf Einkaufs- und Spaziertouren gekommen, habe stundenlang in verrauchten Cafés mit all ihren Freundinnen gesessen und Deutsch und Serbisch und Englisch geredet, viel gegessen, und das erste Mal in meinem Leben Gel-Nägel bekommen:

Da ich Maniküren und alle anderen Spa-Dinge liebe war das also genau das Richtige für mich, besonders da ich jemand bin, bei dem normaler Nagellack nach spätestens einem Tag angenagt aussieht. Statt 25€ bei uns kostet es da nur 5€ und hält dafür 3 Wochen oder länger, bis es rauswächst. Bei mir sind das so 2 Wochen gewesen, bis ich auch die angefangen habe abzupolken, was aber eindeutig unangenehmer ist als bei normalem Nagellack. Jetzt habe ich noch ein paar Gel-Nägel und ein paar pink angemalte damit man die Klebereste auf den anderen Nägeln nicht sieht :D
Deutsch ist ziemlich schwer zu erklären, wenn man sich noch nie darüber Gedanken gemacht hat! Dafür war mein Serbisch viel besser als das letzte Mal, was nicht nur mich überrascht hat, da ich seit letztem Mal kein bisschen gelernt hatte. Da in Serbien aber kaum jemand Englisch spricht (außer jungen Leuten vielleicht, aber auch die manchmal sehr ungern und unsicher) muss man am Abendbrotstisch mit den Freunden der Familie eben alle seine wenigen Serbischkenntnisse herauskramen und sich zum Klops machen um wenigstens nicht die ganze Zeit nur als stummer Fisch danebenzusitzen.
Ich habe gelernt, wie man Gibanica macht, eins meiner serbischen Lieblingsgerichte: Eine Käse-Blätterteig-Pita, die man zum Frühstück mit Trinkjoghurt isst.

Leider ist es ohne Baklava-Blätterteig und serbischen Käse schwierig, sie hier nachzumachen.
Ansonsten sind die Serben so herzenswarm und offen, wie ich sie in Erinnerung habe. Man fühlt sich nicht als blöder Ausländer, der noch nichtmal die Sprache kann und jetzt komisch danebensitzt oder -steht, sondern als natürlicher Teil der Umgebung, was eindeutig dazu beiträgt, dass ich mich jedes Mal sehr wohl dort fühle. Von der Natürlichkeit könnten wir distanzierten Deutschen uns bitte mal ein Scheibchen abschneiden.

Alles in allem waren wir fünf Tage da, die mir sehr viel Freude gemacht haben, und in denen meine Alkohol- und Rauchtoleranz eindeutig heruntergegangen ist. Da es etwas besonderes war, dass wir da waren haben wir überall kleine Schnäpschen und Sektchen und Weinchen angeboten bekommen (von denen ich von zwei Shotgläsern schon einen Kater bekommen habe) und da überall in den Cafés geraucht werden darf (und dafür auf den Straßen nicht, andersherum als bei uns also) und das auch ausführlich getan wird, bin ich ständig mit verrauchten Kleidern und Haaren herumgelaufen. Wie früher nach Diskobesuchen, gute alte Zeiten. Bevor wir nach Serbien gefahren sind habe ich eigentlich nur an besonderen Anlässen sehr wenig Alkohol getrunken (angetrunken zu sein ist auch nicht mehr das was es mal war) – diesen Vorsatz habe ich schon nach zwei Tagen über den Haufen geworfen weil ich es Leid war die ganze Zeit dankend ablehnen zu müssen. Geschadet hat es mir nicht.


Witzig ist auch, dass das Haus zwar ein altes Steinhaus ist (ohne Isolation), deren Steinwände dementsprechend eisig kalt selbst von innen sind, aber dieses trotzdem eiskalt auf gefühlte 100 Grad innen aufgeheizt wird. Im Winter laufen Serben also selbst bei Minusgraden draußen im T-Shirt und Höschen drinnen herum, zumindest Filips Familie. Diese Tatsache hatte anfänglich zu Auseinandersetzungen über unsere Heizkörper in der Berliner Wohnung geführt, bis ich kurzerhand Filip die Bezahlung der Stromrechnung aufgetragen habe und er seitdem sehr darauf achtet, die Heizungen nicht länger als nötig anzuhaben (HA! Punkt für mich).
Auf dem Rückweg haben wir noch kurz in Belgrad Stop gemacht

Nach unserer Rückkehr ging es für mich direkt wieder in die Uni und wir haben uns gefragt, warum wir eigentlich nur für fünf Tage gebucht hatten. Filip fühlt sich sehr viel wohler zwischen den Menschen, die er schon lange kennt, deren Familien er vertrauen kann, als hier im großen und unpersönlichen Berlin, in dem jeder seinem Traum hinterherjagt und doch nichts schafft. Dass er trotzdem für mich hergekommen ist zeigt seine Prioritäten und bestärkt mich in meinem Vertrauen in unsere Beziehung.

Mein Semester ist inzwischen vorbei und ich habe jetzt zwei Monate Zeit, in denen ich eine Hausarbeit schreiben werde, eine Woche mit Jule in Portugal und drei Tage in Glasgow mit Rieke verbringen werde. Ansonsten werde ich mir Zeit nehmen für meine Bücher, meine Freunde (Helen ist zurück in Berlin!), Kuchenessen, wöchentliches Open Stage im Café um die Ecke, meine Fitnesskurse, und um mich über den beginnenden Frühling zu freuen. Liebe Grüße an euch alle!

Kommentare