Baden-Württemberg - my new home in the South
Hallo ihr Lieben!
Mein einmonatiges Jubiläum ist schon vorbei! Ich wohne jetzt seit sechs Wochen in Böblingen (20km südlich von Stuttgart) und arbeite seit einem Monat in der Schule fast Vollzeit. Ich dachte, ich berichte mal von meinen Erlebnissen und Eindrücken von hier, wie es mir hier ergangen ist und was ich schon so gemacht habe!
Um es direkt mal vorwegzunehmen: Insgesamt bin ich sehr zufrieden und happy mit allem.
Nachdem mich am Anfang noch Zweifel plagten (á la "warum machst du das hier eigentlich wenn deine Freunde und Familie so weit weg sind und du im Norden eine Festanstellung hättest kriegen können") bin ich jetzt gut angekommen und insgesamt gefällt mir das Leben hier sehr!
Die neue Wohnung mit meiner Mitbewohnerin ist schnell ein neues Zuhause geworden und in einer WG zu leben gefällt mir sehr gut. Es ist viel schöner, wenn noch jemand da ist, der auch am Schreibtisch sitzt und einfach da ist, oder der sich abends noch mit einem aufs Sofa haut.
I love sofa |
Der Stadtsee, 100m Luflinie von unserer Wohnung |
Ich habe einen Sportverein gefunden, der super ist und sogar eine Sauna hat. Leider nicht ganz so günstig wie in Verden aber ich weiß, wie gut mir das tut und wie sehr ich meine Zumba-Kurse und Sauna liebe, daher ist mir das das Geld auf jeden Fall wert. Inzwischen kann ich auch schon fast mit dem Auto dahinfahren ohne fünf Mal auf der falschen Abbiegespur zu fahren.
Damit wären wir auch schon bei einem kleinen Manko von Böblingen: Es ist mir fast schon zu groß. Die Verkehrsdichte stresst mich Twentysomething-Grandma, die noch einen Hau weghat von Berlin. Ich mache ständig etwas falsch und die Ampelphasen dauern EWIG. Man merkt, dass hier große Industriestandorte sind von Bosch, Mercedes-Benz, IBM usw. und dass dementsprechend viele Menschen hier zu tun haben. Böblingen selbst hat zwar "nur" 50.000 Einwohner aber direkt nebenan ist noch eine weitere Stadt und dann ist eben die Großstadt Stuttgart nicht weit, was man besonders merkt wenn man auf die Autobahn fährt.
historischer Marktplatz oben auf dem Stadthügel |
Schulleben
Das jetzt ist auch meine fünfte Unterrichtswoche in meiner ersten Stelle als Post-Referendarin. Da ich KV bin (=nur einen Jahresvertrag habe) habe ich keine Klassenlehreraufgaben, Aufsichten oder sonstiges, was meinen Alltag denke ich doch entschlackt. Vorletzte Woche wurde mein Stundendeputat noch von 20 auf 24 Stunden aufgestockt (volle Stelle wäre 25) und so unterrichte ich jetzt wie ein ganzer Lehrer ;) Verrückt!
Und noch verrückter ist, dass es mir wirklich Spaß macht! Ich liebe es, mit den Kindern zu arbeiten und klar ist es anstrengend, aber es macht auch einfach echt Freude. Ich mag es, eine Aufgabe zu haben, gefordert zu werden, gebraucht zu werden, so autonom Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu haben. Ich sehe zu, der Verantwortung gerecht zu werden, aber auch nicht alles zu ernst zu nehmen und den Spaß am Lernen nicht aus den Augen zu verlieren. In meinen neunten Klassen mache ich als Energizer kurze Yoga-Sequenzen und lasse Ergebnisse manchmal einen Schüler mit der Tastatur mittippen. Das coole daran ist, dass die Schüler das wirklich dann auch einfordern und mittragen.
Es steht und fällt total für mich mit den Schülern. Wenn diese Variable nicht stimmen würde, wäre mein Leben auf jeden Fall unangenehmer und schwieriger. Aber die Schüler sind wirklich umgänglich und insgesamt lernbereit. Klar muss man sich am Anfang erstmal durchsetzen und es gibt auch immer mal wieder anstrengendere Stunden aber eben auch wirklich angenehme und nette Stunden - und das häufig direkt aufeinander folgend, sodass man aus einer Stunde fluchend und schimpfend herausgeht und aus der nächsten herausschwebt wie aus dem Urlaub und seinen Lehrerberuf liebt. Falls es mal nicht so klappt kann ich aber direkt immer erkennen, wo mein Fehler lag, und lerne daraus fürs nächste Mal. So bin ich nicht frustriert und demotiviert, sondern lerne eben "by doing" und das ist auch okay für mich da ich keinen Perfektionsanspruch an mich stelle sondern nur versuche, mein Bestes zu geben ohne mich dabei kaputt zu machen.
Da für Englisch viele Hilfsmaterialien von den Verlagen bereitgestellt werden und ich die Geschichtsinhalte nun schon das zweite Mal unterrichte, hält sich meine Arbeitszeit auch in Grenzen. Ich würde sagen, ich habe insgesamt einen normalen 8 Stunden Tag, nur halt mit einer längeren Mittagspause zwischendrin und dass ich dann aber nochmal bis halb sieben oder so am Schreibtisch sitze oder auch am Wochenende mindestens einen (Vormit)tag zur Vorbereitung nutze. Aber ich sitze auf jeden Fall nicht bis 23 Uhr am Schreibtisch - zumindest noch nicht, denn die Klausurenphasen stehen noch aus.
Wie zu erwarten war, gibt es einiges an der Schule, das anders läuft als ich es vorher gewohnt war. Jetzt erst realisiere ich, wie gut meine alte Schule ausgestattet war was Technik und Materialien anging. An der Schule hier gibt es in jedem Raum eine unterschiedliche Technikausstattung und wenn man gewöhnt ist, alles an Medien einfach im Raum zur Benutzung vorzufinden und digitale Schulbücher zu nutzen ist das schon eine Umstellung, über die ich oft noch frustriert bin.
Ebenso belastend empfinde ich die kürzere Unterrichtsstundenzeit: Ich habe viele Einzelstunden mit 45 Minuten und das ist, im Vergleich zu 67,5 Minuten-Stunden, wirklich kurz und stressig. Ich habe das Gefühl, ich haste von einer Stunde in die andere und muss mich unnötig oft in verschiedene Themen und Klassen reindenken. Und das muss ja den Schülern genauso gehen! Sie haben, wenn sie "Mittagsschule" haben, bis 15:50 Uhr Unterricht mit 8 oder 9 Stunden Schule. So viele Fächer am Tag mit so kurzen Pausen dazwischen! Ich fände es menschlicher, das etwas zu entschlacken, mit Doppelstunden und längeren Pausen. Aber gut, ich bin ja extra an eine andere Schule gekommen um zu sehen "wie es auch so laufen kann" und hier habe ich eben meine Erfahrungen.
Felsengärten Hessigheim (50km von hier entfernt) |
Derselbe Blick im Herbst |
Kommen wir zum nächsten Punkt, dem Grund (auch) warum ich hierhergekommen bin - der Natur und der Kultur! Es ist ja bergiger hier und es ist Weinanbaugebiet. Der Schwarzwald, das Allgäu und die Schweiz sind nicht weit entfernt. Karlsruhe und München sind in der Nähe, Frankfurt auch (mehr oder weniger). Ich wohne im Schwabenländle wo es Maultauschen gebraten und gedünstet gibt, Schupfnudeln, Dampfnudeln, Spätzle und den schwäbischen Dialekt eben. Ich dachte anfangs, dass ich ihn nicht mögen lernen könnte aber inzwischen fällt er mir kaum noch auf. Meine arme Mitbewohnerin muss manchmal aushalten wenn ich mich über ihre Aussprache amüsiere, aber ich habe mir geschworen das jetzt nur noch innerlich zu tun, damit sie sich nicht schlecht fühlt. Die Leute hier machen aus allen "s"-Lauten sch-Laute ("desch" statt "das") und machen SeilhUpfen im VerRein. Ein Schüler, der Sky heißt, dachte anscheinend bis er in die Schule kam, dass sein Name "Schkai" ausgesprochen wird und nicht "Skai" weil auch seine Eltern ihn so genannt haben. Ebenso seine Schwester Schtella (Stella).
Interessant ist auch die Verwendung des Konjunktiv III für Fragen nach Wünschen. "Hättest du auch Pizza gewollt?" heißt "möchtest du auch Pizza?" und nicht, wie es in meinen Ohren klingt "oh huch jetzt ist schon alles weg und die Möglichkeit Pizza zu bekommen für immer verloren, aber wärst du interessiert gewesen?". Das verwirrt mich jedes Mal.
Weitere sprachliche Besonderheiten, an die ich mich bisher noch nicht gewöhnen konnte:
- Plaschtich (Plastik)
- KrÄPs (mit kurzem "e" ausgesprochen, statt Kreeebs)
- MIlan (statt MilAHn)
- gegange (statt gegangen, der letzte Buchstabe wird ab und zu weggelassen bei der Aussprache)
- die Wörter "schaffen" statt arbeiten und "aufzeigen" statt sich melden (in der Schule). Der Nachbar ist der "Nebensitzer". Weeeird.
Aber ja, die Weinberge und die Natur! So schön! So viele Wandermöglichkeiten! Ich liebe ja draußen sein und wandern und das ist auch etwas, was ich mehr machen möchte und eben im Norden nicht allzu viel Anlass für hatte. Jetzt habe ich mir einiges an Outdoor-Klamotten zugelegt und war schon ab und zu wandern mit allen Leuten, die bei drei nicht auf dem Baum waren. Eselsmühle, Weinwanderweg, Tübingen und Schloss Hohenzollern, Felsengärten, and there´s more to see!
Blick von der Karlshöhe auf Stuttgart, Teil des Blaustrümpflerwegs |
Blick vom Fernsehturm auf Stuggi |
Lieblingsweinwanderweg Untertürkheim/Obertürkheim |
Tübingen |
Tübingen |
Schloss Hohenzollern |
Was auch interessant ist hier unten ist, dass die Leute mit Fahrradfahren nicht herumspaßen. Fast alle haben High-Tech Bikes, Fahrradklamotten und (!) Fahrradhelm (!). Ich habe mir - peer pressure - auch einen zugelegt und es fühlt sich total komisch an.
Dafür gibt es an vielen Fußgängerampeln so Festhalte-Ringe für die Fahrradfahrer, damit sie nicht den Fuß abstellen müssen beim Warten, sondern bequem auf dem Sattel sitzen bleiben können. Aha.
Weitere Dinge, die mich beschäftigen:
- Mein Fußboden. Helles Laminat + dunkle Haare = alle drei Tage saubermachen, damit es annehmlich aussieht. Ich möchte einen Putzroboter.
- Da ich Montags frei habe, fragt mich Dienstags gar keiner meiner Kollegen mehr, wie mein Wochenende denn war. Das fehlt mir schon! Kann ich ja nichts dafür, dass ich ein dreitägiges Wochenende habe. Also wirklich.
- Und, im positiven Sinne: Berufstätig sein = Gehalt bekommen! Mehr als im Referendariat! Online shopping von Dingen die man nicht unbedingt braucht ahoi! Merino-Turnschuhe und Aromaöllampe, willkommen in meinem Leben! Ebenso ein Luxusgegenstand ist das Auto, das ich hier wirklich nicht brauche - außer um bei schlechtem Wetter zum Sport zu fahren oder für meine Erkundungs- und Wandertouren. Aber dafür weiß ich es wirklich zu schätzen, denn ohne es wären viele Ziele für mich nicht erreichbar, so wie meine heutige Wanderung, das Schloss Lichtenstein:
Schloss Lichtenstein in der Schwäbischen Alb |
Urlaube sind erstmal keine geplant, da ich schlecht abschätzen kann wie sehr ich die Ferien für Korrekturen brauche. Außerdem sind die nächsten längeren möglichen Ferien die Osterferien und Pfingstferien da hier in BaWü die Herbstferien nur eine Woche lang sind. Langsam habe ich aber auch erste Ermüdungserscheinungen und könnte mal eine kleine Verschnaufpause gebrauchen.
So, jetzt aber wirklich genug!
Viele liebe Grüße!
Eure Anne
Wander-Tipp
Ich benutze die App "Komoot", um Ideen und Navigation für meine Wanderungen zu bekommen. Dort gibt es viele tolle Vorschläge und wenn man sich für eine Tour entschieden hat, kann man sich durch die Stimme des Handys in der Tasche beim Wandern navigieren lassen und muss so nicht mit dem Smartphone vor der Nase herumlaufen. Geht auch für Fahrradtouren!
Ich benutze die App "Komoot", um Ideen und Navigation für meine Wanderungen zu bekommen. Dort gibt es viele tolle Vorschläge und wenn man sich für eine Tour entschieden hat, kann man sich durch die Stimme des Handys in der Tasche beim Wandern navigieren lassen und muss so nicht mit dem Smartphone vor der Nase herumlaufen. Geht auch für Fahrradtouren!
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