What´s being a teacher (in BaWü) like
Da ich jetzt seit fast über zwei Jahren als Lehrerin arbeite und seit acht Monaten davon in Baden-Württemberg dachte ich, ich erzähle mal von meinen Erlebnissen, im ersten Teil davon wie ich es empfinde Lehrerin zu sein und im zweiten wie ich es empfinde hier in Bawü zu schaffen - wie der Schwabe so sagt (also - zu arbeiten).
Das Lehrerdasein - der Werdegang
Ich war ja nicht immer überzeugt von meiner Berufswahl. Nach der Schule - keine Ahnung. Nach dem Auslandsjahr - immer noch nicht mehr Ahnung (am Strand von Thailand ist es zwar nett aber bezüglich der Berufsorientierung ist es doch eher dünn gesät dort). Aus Verlegenheit: Lehrer werden ist doch nett. Viel frei, und wie es so ist kenne ich von Mama, die ja auch Lehrerin ist.
PuSTeKuchEnnnn! Ich hatte natürlich KEINE Ahnung!
Als ich dann die ersten Male während des Studiums mit Schülern in Kontakt kam, dachte ich, ohje, voll anstrengend, das ist doch bestimmt schrecklich, diese Meute unter Kontrolle haben zu müssen!
(Spoiler alert: es fühlt sich ganz anders an wenn man selbst der reguläre Lehrer ist und es ist überhaupt nicht schlimm). Ich war drauf und dran, das Studium nach dem Bachelor Studium sein zu lassen und irgendwo in die Wirtschaft zu gehen. Hätte meine Familie mich nicht gepusht, noch den Master zu machen, säße ich jetzt wahrscheinlich noch in Berlin bei sofatutor und würde Leute für die Lernvideos einstellen. Für das Studieren an sich konnte ich mich ja auch nie wirklich begeistern. Ich fand immer, dass das irgendwie eine Parallelwelt war, die sich selbst Leute ausbildet die nirgendwo anders unterkommen als in der Uni (Geisteswissenschaften eben) und mit der Realität da draußen nicht wirklich was zu tun haben. Dieses theoretische Herumdiskutiere konnte mich nie wirklich begeistern - ich fand es interessant, aber ein Feuer hat es nicht erweckt. Für mich war die Uni eher ein Mittel zum Zweck, in diesem Fall der Abschluss. Gerade deswegen - und damit kommen wir zum nächsten Punkt - bin ich heute so begeisterte Lehrerin.
Freie Uni Berlin |
Das Lehrerdasein - die Arbeit
Ich liebe es einfach viel mehr, zu arbeiten, mich auszuprobieren. Man kann Lehrersein nicht an der Uni lernen. Man muss es am lebenden Objekt (dem Schüler) austesten - und merkt sofort, was klappt und was nicht. Das Referendariat hat mir schon viel geholfen, das sollte man nicht wegstreichen. Aber die fünf Jahre Theorie an der Uni? Bitch please. Not my cup of tea. Aber OK - sicherlich sinnvoll blablabla - ich sage nur, dass vom Verstand her eins wissen und vom Herzen her für etwas begeistert sein zwei verschiedene Paar Schuhe sind.
Referendariats-Abschluss in Verden |
Also, was mag ich so am Arbeiten als Lehrer?
Ich mag als erstes den Kontakt mit den Schülern. Das macht mir echt Spaß. Außerdem ist mein Humor glaube ich ziemlich auf dem Niveau von pubertären Jugendlichen stehen geblieben, weswegen ich die Schüler oft ziemlich witzig finde.
Andererseits gefällt es mir, sofort die Wirkungen meines Handelns zu sehen. Wenn die Klasse unruhig ist, kann ich es oft direkt auf etwas zurückführen, was ich gerade falsch gemacht habe. So hat man direkte Ursache-Folge-Erfolge und lernt sehr viel.
Außerdem liebe ich es, so selbstverantwortlich arbeiten zu können und die Verantwortung zu tragen. Man muss oft auf viele Dinge gleichzeitig achten, schnell reagieren können und dabei gelassen bleiben. Das sind Herausforderungen, die ich wirklich gerne annehme, was ich nie von mir gedacht hätte.
Und wenn man genug von Menschen hat, hat man ja auch den halben Tag Homeoffice mit all seinen Vorteilen - Kühlschrank und Bett und Sofa in der Nähe, frei einteilbare Zeiten, keiner guckt einem über die Schulter wann man Schluss macht sondern wenn man effizient arbeitet und fertig ist mit den To-Dos für den Tag dann macht man Schluss und geht zum netten Teil des Tages über - und muss nicht etwa warten bis 17 Uhr oder schauen, dass die täglichen 8 Stunden erreicht sind.
that´s when I just moved in so it´s allowed to look chaotic |
Die Wahl, meine Neigungsfächer Englisch und Geschichte zu studieren, war halb klug und halb nicht so klug. Geschichte haben leider sehr viele Lehrämtler und es wird wegen der geringeren Stundenzahl als Nebenfach nicht so viel gebraucht.
Geschichte ruft außerdem leider keine so intrinsische Motivation bei den Schülern hervor wie Englisch das tut: für Englisch ist den Kleinen viel eher klar, warum sie das lernen. Der Nutzen von Geschichte dagegen erschließt sich nicht so direkt und ist viel weniger greifbar und zudem mühseliger. Englisch kann man Spielchen hier und da machen, Lieder hören, Geschichten lesen. Geschichte dagegen ist oft viele, viele Details zu Krams der für die meisten ewig weit weg und uninteressant ist.
Außerdem gibt es für Englisch viel mehr Lehrermaterial als für Geschichte: Englisch hat fertig ausgearbeitete Stunden passend zu den Büchern, digitale Unterrichtsassistenten, CDs, Differenzierungsmaterial, Workbooks, Vokabelhefte, Leistungsmessungsvorschläge. Geschichte hat: nichts. Vielleicht mal ein Buch mit Lösungen für die Aufgaben im Schulbuch, aber die kann man meistens auch nicht einfach so übernehmen.
Englisch hat außerdem den Vorteil, zumindest in den unteren Jahrgangsstufen nicht ganz so korrekturintensiv zu sein wie andere Fächer (Deutsch zB). Je älter sie werden desto mehr schreiben sie, klar, aber es hat halt nicht jeder Lust sich durch ein Mathestudium zu quälen damit man später ein leichteres (Korrektur-)leben hat.
meine Ausbildungsschule |
Der Bundeslandwechsel Niedersachen - Bawü
Was ministerielle Vorgaben und Wechsel besteht, gibt es im großen weiten Internetdschungel wenig Hilfe und man ist auf sich allein gestellt, die armen Ministerienmitarbeiter solange anzurufen bis man a) endlich mal durchkommt und b) ihnen alle seine Fragen gestellt hat, die sicherlich schon 29370 andere vor einem gestellt haben, aber es kommt ja anscheinend keiner in der Regierung auf die Idee, solche Informationen mal frei verfügbar und leicht findbar ins Internet zu stellen. Anstatt dessen fühlt man sich wie der erste Mensch, der sich diese Frage je gestellt hat, und der muss sich dann mit Leuten herumschlagen die auch keine Ahnung zu den konkreten Fällen haben und/oder mit den Gesetzestexten in extrem hilfreich nicht verständlichem Behördendeutsch. Soweit so gut.
Solange man noch nicht verbeamtet ist, ist ein Bundeslandwechsel eigentlich easy: Du bewirbst dich, und wenn die Leute im Ministerium nichts gegen ´Neigeschmeckte "Ausländer" haben (sollten sie eigentlich nicht weil laut KMK-Beschluss von vor ca. 7 Jahren alle Abschlüsse Deutschlands gleichwertig anerkannt werden) kriegst du was, wenn nicht dann nicht.
Ich habe durch Zufall eine befristete Angestelltenstelle in der Nähe von Stuttgart bekommen. Ich vertrete niemanden, nein, das Ministerium möchte einfach ungern 1.) Lehrer angemessen bezahlen und wenn sie genug Leute finden die es aus verschiedenen Gründen (vielleicht sind ja viele doch nicht so ortsunabhängig wie das die Wirtschaft gerne möchte?!) auch für weniger machen dann ist ja gut und 2.) man sich so weniger Leute lebenslang ans Bein bindet. Auch mein sehr guter Abschluss hat da nicht geholfen. Zumindest im ersten Jahr nicht, mal sehen, wie es dieses Jahr wird.
Deutschnachhilfe im Flüchtlingsheim |
Die Schule, an der ich jetzt bin, ist ein bisschen hinterher im Vergleich zu der Schule wo ich vorher war. Man versucht ja immer gleich, zu verallgemeinern, aber ich kann ja eigentlich nur über diese speziellen Schulen etwas sagen.
Ich wundere mich oft, wie wenig Vorgaben es für die Lehrer gibt was Noten oder Klassenarbeiten angeht. Das war in meiner alten Schule viel geregelter (und besser, finde ich, diese Regelungen dort waren schon sinnvoll). Es gab iserv, eine Plattform, mit der man problemlos Dateien, Links und Hausaufgaben an Klassen verschicken konnte. Es gab W-Lan an der Schule, was den Gebrauch von Tablets und Smartphones im Unterricht ermöglichte. Es gab die digitalen Unterrichtsassistenten an den Smartboards vorinstalliert - anstatt dessen muss ich mich hier erstmal fünf Minuten anmelden und dann nochmal den DUA von meinem eigenen Stick nochmal fünf Minuten öffnen.
Meine alte Schule hatte sogenannte "Langstunden" von 67,5 Minuten. Hier habe ich oft nur 45-Minuten Stunden. Bis sich alle sortiert haben und man die Hausaufgaben verglichen hat (und die Technik läuft) ist die Stunde dann oft schon rum - ich empfinde das als Zumutung für alle Beteiligten aber habe mich daran gewöhnt.
Meine alte Schule war technisch einfach besser ausgestattet, dem weine ich schon noch hinterher. Das macht einem im Alltag einfach einiges angenehmer.
Was mich auch überrascht hat, ist, dass einige Lehrer hier noch ihre Schüler vor die Tür schicken. Sowas gibt es heutzutage noch?? Hier aber überrascht das niemanden groß und die Schüler machen das auch widerstandlos wenn man ihnen das sagt. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber ich war zunächst sehr verwundert. Allein wegen Aufsichtspflicht...?!?!
Fazit dazu
Auch wenn hier die Berufsaussichten auf eine feste Stelle am Wunschort schlechter sind als in Niedersachsen (dort habe ich einige annehmbare Anfragen bekommen für feste Stellen) so habe ich mich hier doch eingewöhnt und liebe meine WG, den Garten unten den wir mitbenutzen können, den Ort, die Nähe zu Stuttgart, und die Nähe zu meinem Freund. Auch wenn ich merke, dass ich nicht das feste soziale Netz hier habe wie meine Mitbewohnerin, die in der (weiteren) Region aufgewachsen ist und studiert hat, was schade ist (ich vermisse meine Familie und besten Freunde durchaus! Solche Kontakte kann man nicht einfach neu woanders aufnehmen), so habe ich hier momentan doch alles was ich mir wünsche und was mir im Verdener Raum gefehlt hat. Klar ist es karrieretechnisch nicht unbedingt klug, Zeitverträge anzunehmen, allein wegen der finanziellen Seite. Mit einem festen Vertrag hätte ich ein Nettoeinkommen von ca. 1/3 mehr Gehalt. Doch darum geht es mir nicht und ich brauche dieses Geld auch momentan nicht. Mir ist es wichtiger, glücklich zu sein mit meinem Alltag, als in einen Bausparvertrag einzuzahlen oder Luxusurlaube zu machen.
Disclaimer: Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, sind höchst individuell und so nicht verallgemeinerbar für andere Personen oder Schulen! An einem anderen Gymnasium oder einer anderen Schulform könnte ich das Lehren ganz anders empfinden - es hängt einfach total von den Leuten ab mit denen man es zu tun hat. Bisher hatte ich total Glück und hatte ziemlich pflegeleichte Schäfchen.
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