Ein Monat Wales und England

 


Hallo liebe alle, 
wir armen Lehrer müssen ja jeden Sommer neu überlegen, was wir alles mit unseren freien Wochen anfangen wollen. Jan und ich haben ewig hin und her überlegt und unsere Wahl ist dann schließlich auf das Vereinigte Königreich bzw. Wales gefallen - ein Land, das wir noch nie besucht hatten (Wales), das exotisch und interessant ist (eine eigene Sprache auf den Straßenschildern (walisisch), spezielle Delikatessen), das mit dem Auto erreichbar ist (Fähre) und das im Sommer nicht so heiß wird wie andere Länder die wir auch interessant gefunden hätten (zB im Vergleich zu Israel oder so, das kann man ja im Sommer wahrscheinlich vergessen). 

Ich wollte gern dieses Jahr die langen Ferien ausnutzen und möglichst lange wegbleiben. Jan konnte sich zum Glück auch so lange frei nehmen und so stand unserem Abenteuer nichts mehr im Weg. 

Der Plan: Mit dem alten Auto von Jans Eltern, das eh schon viele km drauf hat, nach Calais, eine Woche Südengland, drei Wochen Wales, mehrheitlich mit dem Zelt und aber auch teilweise bei Wwoofing Hosts. 
Zelt weil günstig und naturnah, wwoofing weil mehr im Land und in der Kultur drin als nur Roadtrip. Außerdem wären wir wahrscheinlich wahnsinnig geworden wenn wir einen Monat lang nur herumgereist wären. Auch so hatten wir uns zum Ziel gesetzt, mindestens 3 Nächte an einer Stelle bleiben zu wollen - alles andere ist logistisch zu aufwändig und stressig. Man will ja auch Urlaub haben und nicht gestresst vom Urlaub wieder nach Hause kommen. 




Die Ausrüstung: unser 28€ Zelt von ebay Kleinanzeigen (kein Hightech aber seit der Handwäsche in der Badewanne wieder halbwegs sauber und gutriechend), eine große Luftmatratze (dreimal geflickt innerhalb von vier Wochen), der alte BMW mit 240.000km drauf von Jans Mama und Papa (dann machen 3000km mehr auch nix mehr aus), dicke Schlafsäcke und eine Kuscheldecke, ein Campingkocher, eine Isomatte für Yogavideos und als wärmende Unterlage, eine Ikeatüte voll Kleidung (ich) und eine graue Baumarktbox voll Kleidung (Jan), viel zu wenig Sommerkleidung für das warme Wetter (ich) und dafür viel zu viele Pullis (auch ich). 

Hier ist schonmal ein kleiner Einblick per Video. Es ist leider nicht unsere ganze Reise dabei sondern nur Jans Dronenaufnahmen und meine Videosequenzen der letzten Woche. Ich habe nämlich ausversehen die Videos von Google Drive gelöscht bevor ich sie vom Handy gesichert hatte um Speicherplatz in der Cloud zu sparen und Google Drive löscht sie einem auch gleich vom Handy mit weg. Das habe ich aber erst zu spät realisiert. 






LET´S GO!

Anreise: 2 Nächte am Cap D´Opale
Die Anreise von Herrenberg kann man entweder über Belgien oder aber Nordfrankreich machen. Wir haben uns auf der Hinfahrt für Nordfrankreich entschieden - die leerere aber teurere Strecke da mautpflichtig. Insgesamt haben wir für die ca. 500km auf der französischen Autobahn bestimmt 60€ bezahlt. 
Dort angekommen waren wir auf einem Campingplatz, von dem aus man in 5mins zum Meer laufen kann und wo man auch super schöne Kalkfelsen bewundern kann, so wie auf der englischen gegenüberliegenden Seite. 
Der erste schöne Moment dort war ein Bad im Meer in den Wellen, die von hinten von der untergehenden Sonne beleuchtet wurden. Auch schön war, dass ich mal wieder mein Französisch ausprobieren konnte - nach drei Tagen war ich aber froh, mit der Fahrt nach England wieder in sprachlich sichereres Terrain überzuwechseln. Jan konnte einen Tag bei Wissant kiten und war happy. 

Plage du Cap Blanc-Nez

Wissant



Woche 1: England
In der ersten Woche wollte ich ein bisschen Englischlehrerprogramm machen und die Must-Sees für anglophile Kulturinteressierte abklappern: Dover Castle, Canterbury, Bath. 
Was ich mir so schön vorgestellt hatte (durch leere kleine mittelalterlich angehauchte Städtchen schlendern) war dann aber eher größer und voller als gedacht und daher ein bisschen überfordernd - die Krux mit Vorstellung vs. Realität. Was ich tatsächlich in dieser Woche am Meisten genossen habe war der spontane Besuch im Walmer Castle, zu dem wir keine Erwartungen hatten und das uns sehr mit seiner alten royalen Einrichtung und seinem very british park gefallen hat. Außerdem konnte ich dort eine Postkarte von der Queen mit Corgi auf Bank vor Walmer Castle erwerben. Das zweite Highlight folgte direkt darauf und war genauso unvorhergesehen: Bei meinem Bad am Steinstrand vor dem Schloss tauchte nur 3m links von mir direkt an der Küste eine Seerobbe auf. Da das Wasser dort direkt sehr schnell sehr tief wurde und ganz viele kleine und große Fischchen im Wasser zu sehen waren war dies wohl ein ideales Jagdgebiet für diese Robbe. Ganz verrückt und super cool!
Was ich auch noch ganz nett fand war Stonehenge. Wir hatten einen overseas visitor pass für 9 Tage gekauft (2 Personen 80€) und konnten so alle möglichen Kulturdinge besuchen die wir sonst vielleicht ausgelassen hätten weil wir zu geizig gewesen wären die Eintritte zu bezahlen. 
In der ersten Woche in England war es auch noch recht warm (ca. 25-27 Grad, was sich in England anfühlt wie super Hochsommer) und sonnig und daher hatte ich dann recht wenig Lust auf sightseeing und volle Städte. 
Außerdem: Gewöhnung an den Linksverkehr - klappte bei mir überraschend gut, Jan hat auch Wochen später noch vergessen beim Kreisverkehr auf die rechte Seite und beim Einbiegen von Parkplätzen auf die relevante Straßenseite zu schauen, sodass wir dann ein Papier ans Lenkrad geklebt haben auf dem die Erinnerung mit Linksverkehr stand. Gut, dass nichts weiter passiert ist. Die Engländer halten bestimmt nur deswegen am Linksverkehr fest weil sie so weniger Besucher im Land haben weil die Leute Angst haben vor Linksfahren. 
In Canterbury hat mir eigentlich am Besten das vegane English Breakfast im Cote Canterbury gefallen.
Die sights wegen der man eigentlich da ist sind da echt irgendwie ein bisschen Nebensache :D 

Folkestone

Dover Castle

Walmer Castle

Stonehenge

Camping bei Bath

 

Woche 2: WWoofing Host Number 1 in Mid-Wales 

Auf dem Weg zu unserem ersten Wwoofing Host fuhren wir noch über den Gospel Pass in den Brecon Beacons (einer der zwei Nationalparks in Wales) und verbrachten eine Nacht in einem fast ganz leeren Campingplatz am Fuß der Brecon Beacons mit Aussicht über die Ebene. 
Die Fahrt zum Gospel Pass war zur ersten Hälfte auf typischen engen und von Hecken eingesäumten one-lane Sträßchen, die zwar irgendwie urig sind aber auch einfach anstrengend zu fahren. Irgendwann dachten wir schon, dass wir den Ausblick verpasst hatten, aber der schönste Teil folgte noch gegen Ende. Jan hielt an um ein bisschen Drohne zu fliegen und ich beschloss, schonmal vorauszuspazieren - eine super Entscheidung weil es einfach sooo schön war dort in der tollen Natur die leere Straße entlangzugehen, nur umgeben von Hügeln, Farn, Schafen, und Gras. 

Gospel Pass durch die Brecon Beacons

Newcourt Farm Campsite



Unser erster Wwoof Host war in der Mitte von Wales in ebenfalls schöner hügeliger Umgebung in der Nähe von Llanidloes am Fluss Severn. Die Gastgeberin Emma baut auf ihrer Horticulture "Ash & Elm" Gemüse und Blumen zum Verkauf an. 
Es gab noch mehr Wwoofer außer uns: Agathe aus Frankreich, Tongue aus Frankreich, und zwischenzeitlich noch Maryam aus London. Außerdem waren noch zwei Jungs mit ihren Vans auf dem Grundstück, Gwyllem und Joe, die dort ihre Vans ausbauen und manchmal auch mithelfen, und Emmas Mann Dave, der mehr für die Solar- und Wasserversorgung zuständig war. 
Ich merke, dass ich langsam zu alt und anspruchsvoll / faul für Wwoofing werde weil ich so langsam keine Lust mehr habe auf körperlich anstrengende Aufgaben 😜 und nicht mehr einfach so alles mache was irgendwie ansteht. Aber trotzdem war die Wahl, zu einem Wwoof Host zu gehen, genau die richtige, weil es einfach so gut tat, eine Woche in dieser schönen Natur mit witzigen und interessanten Menschen aus anderen Ländern zu verbringen. Sowas hat jetzt nach Corona echt doppelt gut getan. 
Jan hatte nicht so Bock auf Zwiebeln ernten und Unkraut jäten und hat deswegen von vorneherein gesagt, dass er lieber an seinen privaten Projekten weiterprogrammieren möchte und ob das für Emma ok wäre. War ok für sie. Er hat dann teils im Campingstuhl mit dem Laptop im Garten herumgesessen und teils bei Bewässerung und Dusche mitgeholfen. Dafür haben wir dann ein paar Lebensmittel aus eigener Tasche bezahlt und dann war das auch ok. 

Witzig war auch, dass wir einen Tag auf einer Country Fair waren - eine Dorfshow, in der das Beste aus so ziemlich jeder erdenklichen Kategorie gekürt wird: das beste Schaf, die beste Möhre, der beste Muffin, das schönste Gemüseensemble, der schnellste Sackhüpfer, ... usw. 
Da es an dem Tag wieder sehr heiß war gingen wir danach im Fluss schwimmen und das war himmlisch, sich im angenehmen Wasser treiben zu lassen und von kleinen Fischchen beknabbern zu lassen. 

Ash & Elm




Was auch super schön war waren die Sternennächte allgemein in Wales - da es wenig Lichtverschmutzung gibt kann man an klaren Nächten sehr viel mehr Sterne sehen als bei uns. 


Woche 3: Nordwales
Die dritte Woche war wieder eine Reise- und Campingwoche. Wir fuhren erst in den Süden von Snowdonia National Park zu einem sehr schönen in den Bergen gelegenen Campingplatz und danach dann nach Conwy und Llandudno. Wir bestiegen die Hälfte des höchsten Berges der UK, Mount Snowdon, und besuchten das Städchen mit dem zweitlängsten Ortsnamen der Welt: Llanfairpwll­gwyngyllgogery­chwyrndrobwll­llantysilio­gogogoch. 
Jan konnte einen Tag vor Llandudno kiten und ich konnte in Conwy das kleinste Haus der Welt bewundern. Wir kauften Postkarten, tranken Kaffee, buchten eine Zugfahrt auf den Mount Snowdon und stornierten sie wieder um stattdessen einfach zur Hälfte raufzulaufen (was eine sehr gute Entscheidung war). 



Garth Campsite am Llynnau Mymbryr



Pont Pen-y-benglog


Conwy


Llandudno West Shore Beach


Penrhyn Castle

Zeit für einen Besuch in Llanfairpwll­gwyngyllgogery­chwyrndrobwll­llantysilio­gogogoch



Wir spazierten durch Täler von Snowdonia National Park und besuchten Penrhyn Castle, das zweitgrößte Schloss der UK nach Windsor. 
Sehr schön! 
Was wir auch herausfanden: Auf der Seite pitchup.uk kann man auch temporäre Campingplätze finden, die nur im Sommer geöffnet sind und daher nicht auf Google gelistet sind. Sie haben zwar teilweise weniger Ausstattung, sind dafür aber günstiger und oft leerer als andere Campingplätze. Tipp! 

Woche 4: Pembrokeshire und Rückreise

Danach brauchten wir erstmal Urlaub vom Urlaub. Ich hatte schon vorher mit B´n´Bs geliebäugelt aber das war uns dann irgendwie zu teuer und zu unpersönlich und wir hatten eine schöne Zwischenlösung gefunden: eine Jurte
Wir kamen dort bei schönstem Wetter an und dachten wir sind im Himmel. Ein wahrer Rückzugsort, an dem man tun und lassen kann was man will weil man die Ecke vom Campingplatz ganz für sich allein hat - mit Küchenhütte und Kompostklo und Feuerstelle und allem drum und dran. 
Wir genossen die Tatsache, dass wir ein festes Bett hatten und abends die Luft drinnen wärmer blieb als draußen. Abends gingen wir nochmal runter zum Strand und genossen ein Abendbad bei Sonnenuntergang (also ich, Jan flog erst noch Drohne und trat dann in einen Seeigel, ich weiß nicht wie schön er das fand, also zumindest zweiteres). 
Am nächsten Tag warteten wir, bis es aufklarte, nur um gegen Nachmittag loszulaufen und festzustellen, dass es an der Küste bereits aufgeklart hatte. Wir liefen den wunderschönen Pembroke Coastal Path entlang und beobachteten Seerobben mit ihren Babies und einheimische Vögel, die Brân Goesgoch ("rotbeinige Krähe"). 

Hillfort Camping Jurte #Glamping

Strand bei Abermawr

Coastal Path Ponies 

Pembrokeshire Coastal Path beim Strumble Head Lighthouse

unsere Jurte vom Ausblickshügel aus nahe dem Garn Fawr Iron Age Fort 



Danach ging es zu unserem zweiten Wwoofer Host. Er hatte ein bisschen das Pech, dass es schon etwas gegen Ende der Reise war, wir bei nieseligem ungemütlichem Wetter dort ankamen und eigentlich nicht mehr so richtig Lust auf draußen leben hatten. Dementsprechend war unsere Laune am ersten Abend auch eher schlecht, obwohl wir uns in den Wohnwagen auf dem Feld der zwei einnisten hatten können. Am nächsten Tag war das Wetter aber schon wieder besser und dann sah auch gleich wieder alles ein bisschen positiver aus - die größten Spinnen aus dem Wohnwagen waren beseitigt und wir waren froh, bei dem Regen der Nacht drinnen gewesen sein zu können. 
Wir pflanzten Salat, bereiteten Beete vor, achteten darauf, dass die Laufenten nur Schnecken und nicht auch Salat fraßen, und wurden abends zum Essen bei der Mama von Kate eingeladen. Unser Woofer Host Pärchen war recht jung aber es war auch sehr spannend zu sehen wie sie so ihre Beete gestalteten und gärtnerten. Ich denke da konnte ich jetzt schon nochmal einiges mitnehmen für mein eigenes Beet zuhause. 
Teilweise wurden wir auch auf dem Land alleingelassen weil die zwei zu einem festival mussten und wir konnten machen was wir wollten - Duschen mit dem Gartenschlauch zwischen Beet und Entenauslauf, Frühstücken gehen auf dem Campingplatz die Wiese runter, Salat pflanzen, zum Strand fahren, eine Familie besuchen von einem Typi der mit dem Rad vorbeikam und Salat kaufen wollte und uns eingeladen hatte nachdem er hörte dass wir dort wwofen (er selbst macht seit Jahren workaway, eine ähnliche Seite nur dass es nicht auf Garten - und Feldarbeit begrenzt ist). 


wwoof host 2 bei Lamphey




Skrinkle Haven Beach


Rowan Tree Café


Auf dem Weg zurück machten wir nochmal einen Stopp auf einem Campingplatz im Süden Englands, von wo aus wir für einen Tag mit dem Zug nach London reinfuhren. Die beliebten Tourispots waren total überlaufen, aber es war halt auch ein langes Wochenende eines "bank holiday", also praktisch unser Feiertag nur ohne Feiertag (also alle haben frei aber es gibt keinen religiösen oder sonstigen Grund dafür sondern es ist ein bisschen random halt frei). 
Ich hatte erst nicht so Lust auf Großstadt aber dann war es doch ganz schön ein bisschen an der Themse entlangzuschlendern, die Sehenswürdigkeiten anzuschauen und sich durch das Essen dort durchzufressen. 





Am Tag der Fährüberfahrt fuhren wir dann runter nach Dover, wurden sogar auf die Fähre eins früher raufgebucht weil wir so überpünktlich waren, fuhren 10 Minuten nach Ankunft auf die Fähre und schon ging es los. Da wir wirklich keine Lust auf eine noch weitere Nacht im Zelt hatten fuhren wir die Strecke von Calais nach Herrenberg an dem Nachmittag noch durch, was dank Onleihe und Hörbüchern auch gut ging. Gegen 22:30 Abends waren wir dann wieder Zuhause und konnten müde und glücklich und zufrieden in unser Bettchen fallen. 






THE END! 





Unser Kleingärtchen nach unserer Rückkehr - nach wochenlanger Dürre und Hitze. Meine Kollegin hatte ab und zu gegossen, so haben die Pflanzen zumindest ein bisschen überlebt. 






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